Interview

50 Fragen an Paavo Järvi – Teil 2

Mit 50 Antworten wird der neue Chefdirigent und Music Director Paavo Järvi Sie durch sein erstes Jahr in Zürich mitnehmen.

Melanie Kollbrunner

17. Ihr grösster Luxus?
Meine beiden Töchter leben in Florida. Dass sie zu mir fliegen können, wann immer wir einander zu sehr vermissen, das ist mein grösster Luxus.

18. Welches Buch liegt ganz oben auf dem Nachttisch?
«Absolutely on Music», eine Serie von Gesprächen zwischen Haruki Murakami und seinem Freund Seiji Ozawa über ihre gemeinsame Leidenschaft: Die Musik.

19. Ein Popsong, den Sie mögen?
Billie Eilish, Bad Guy. Kenn ich von meinen Mädchen. Sie lieben Billie Eilish.

20. Das Schönste an der Musik?
Sie braucht keine Worte.

21. Was macht einen guten Dirigenten aus?
Es ist eine Kombination aus vielen Eigenschaften. Mit Sicherheit geht es um die Fähigkeit führen zu können, Körpersprache zu lesen. Ein guter Dirigent ist einer, der mit Menschen arbeiten kann und natürlich einer, der für Musik brennt. Das ist eine wirklich schwierige Frage. Wenn ich das Geheimnis kennen würde, dann würde ich es gerne verraten, dann gäbe es viele sehr gute Dirigenten.

22. Und was macht einen schlechten Dirigenten aus?
Ein schlechter Dirigent ist oft aus den falschen Beweggründen Dirigent geworden.

23. Gibt es einen Rat, den Sie allen Menschen geben, die führen?
Hör zu. Sei der Letzte, der spricht.

24. Welches Kinderlied haben Sie ihren Töchtern gesungen, als sie kleiner waren?
Es ist ein estnisches Lied. Da ist dieser kleine Spatz, dem der Wind den Schlaf zuhaucht. Es ist wunderschön, aber es lässt sich schwer übersetzen. Meine Grossmutter hat es mir vorgesungen, auch mein Vater.

25. Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an Jahreszeiten denken?
Oh, viele Dinge. In Estland, wo ich herkomme, gibt es vier Jahreszeiten, wie in der Schweiz. Jede Jahreszeit hat ihre Magie, nicht?

26. Welche Magie hat denn der Winter?
Der Winter ist doch Magie schlechtweg. Da denk ich ans Kindsein im Schnee. Die ersten Tage eines jeden neuen Jahrs bin ich mit meinen Eltern und mit meinen Geschwistern auf dem Hügel im Süden Estlands skigefahren. Aber seien wir ehrlich, wenn ich jetzt die Schweizer Berge runterbrettere und mir den Arm breche, dann haben wir’s dann mit dirigieren. Aber ich liebe den Schnee.

27. Aber wenn Sie gar nicht skifahren wollen, was lieben Sie denn daran?
Stimmt, ich werde es trotzdem tun. Ich mag aber auch kalte, dunkle Winternächte im Schnee, alles ist konzentrierter. Man denkt klar, scharf.

28. Warum dirigieren Sie eigentlich kaum in Opernhäusern?
Es ist sehr zeitintensiv. Um eine neue Produktion einzustudieren, muss man für einen Monat da sein, was mir derzeit schlicht nicht möglich ist. Zudem werden an Opernhäusern acht oder manchmal zehn Vorstellungen am Stück dirigiert, das bedeutet musikalisch viel Routine, die sich da einzuschleichen droht.

29. Das heisst, es liegt nicht an der Oper an sich, an den Werken?
Die Arbeit mit Bühnen-, Licht-, Kostüm- oder Chorleitungen ist zwar interessant, aber mich interessiert die Essenz, die Musik am meisten. Deshalb gehe ich meiner grossen Liebe zur Oper lieber in konzertanter Form nach, so oft es nur geht. Aber wer weiss, vielleicht wagen der neue Generalmusikdirektor des Opernhauses Zürich, mein Freund Gianandrea Noseda und ich einen Austausch? Wir werden sehen.

veröffentlicht: 28.11.2019