50 Fragen an Paavo Järvi – Teil 3
Mit 50 Antworten nimmt der neue Chefdirigent und Music Director Paavo Järvi Sie durch sein erstes Jahr in Zürich mit.
30. Haben Sie je komponiert?
Sicher, ja. In jungen Jahren, besonders im Studium. Mir war aber rasch klar, dass mein Weg das Dirigieren sein soll. Es ist ja auch meine Herkunft, familiär bedingt. Zudem liebe ich die Menschen. Komponistinnen und Komponisten sind einsame Schaffer.
31. Was wäre aus Ihnen geworden, wenn nicht Musiker?
Keine Ahnung. Wirklich. Wahrscheinlich nichts (lacht).
32. Was gibt Ihnen die Musik?
Geld! Nicht, was gesucht war? In Ordnung. Musik gibt mir alles. Sie ist mein Grund, morgens aufzustehen. Musik gibt mir Sinn.
33. Welche Aufgabe kann sie in der Gesellschaft erfüllen?
Eine wirklich schwierige Frage. Ich gebe mir Mühe, allen Klischees aus dem Weg zu gehen, weil es in dieser Frage um das Herzstück meiner Arbeit geht. Was Musik, was Kunst kann, ist subtil aber mächtig. Sie berührt unsere Psyche, unser ganzes Sein. Das hat mit Schönheit zu tun und damit, sie geteilt zu empfinden. Sie trifft das Menschlichste in uns allen als Gegenstück in einer Welt, in der es um effiziente Produktion, um finanziellen Gewinn, um Strukturen geht, die uns aber viel abverlangen. Wir brauchen ein Gegengewicht dazu, dringend. Wenn man sich in der Welt umsieht, wie sie sich in den letzten 15 Jahren entwickelt hat, dann wird dies augenfällig. Es werden Gelder für Kultur und für Bildung gestrichen, es wird ins Militär investiert. Wir müssen in dieser Welt ein Gegengewicht schaffen, ihr mit Menschlichkeit begegnen, zum Beispiel mit Musik.
34. Wo sind Sie zuhause?
Wo meine Töchter sind. Wo Musik ist. Wir verbinden das, so oft wir können.
35. Haben Ihre Töchter noch einen Bezug zu Estland und zur estnischen Sprache?
Das hoffe ich doch! Ich spreche estnisch mit ihnen, sie verbringen den Sommer bei der Familie in Estland und auf meinem Pärnu Music Festival.
36. Teilen Ihre Töchter Ihre Begeisterung und Liebe zur Musik?
Ja. Musik ist für uns alle ein verbindender, wesentlicher Bestandteil des Lebens.
37. Spielen die Beiden ein Instrument oder beschäftigen sie sich sonst mit Musik?
Eine meiner Töchter tanzt Ballett, die andere erhält eine klassische Gesangsausbildung. Und beide spielen (überlegt ein Weile) – richtig gut Klavier.
38. Inwiefern haben Sie dies gefördert?
Ich will hier keine Ratschläge für Eltern geben als Vater, der so viel reist. Wenn jemand trotzdem einen möchte, wenn es um die Musik geht: Wir haben immer Musik gehört, Arien, Sonaten, natürlich neben allen anderen Stilrichtungen. Wir haben uns gemeinsam Opernaufzeichnungen angeschaut. Kinder lieben diese theatrale Welt, sie lieben Melodien. Musik, eben auch die klassische Musik, wurde zum natürlichen Bestandteil in der Welt meiner Töchter.
39. Werden sie wohl auch Musikerinnen werden?
Dann müssen sie jetzt aber Ernst machen. Üben. Und das heisst dann noch lange nicht, dass es an die Spitze reicht. Es ist kein einfacher Weg.
40. Ist es ein Weg, den Sie ihnen wünschen würden?
Für mich ist nicht wichtig, was sie tun, ich wünsche ihnen einzig, dass sie Freude haben, dass sie erfüllt sind. Wenn sie Musikerinnen werden wollen, dann unbedingt. Ich liebe meine Arbeit. Wenn man diesen Weg gehen will, dann ist es der einzige richtige Weg, dann muss man ihn gehen.