Womit dirigiert Paavo Järvi?
Trotz königlicher Marke: Teuer ist der Taktstock unseres Music Director nicht.
Es gibt durchaus Dirigenten, die Wert legen auf luxuriöse Dirigierstäbe, die hohe Ansprüche haben an Material und Design und Exklusivität. Es gebe zum Beispiel in Japan Hersteller, «deren Batons sind sehr fancy», sagt Paavo Järvi. «Und sehr teuer.»
Er selbst sieht allerdings «absolut keinen Grund», sich solche edlen Exemplare zu leisten: «Ein Taktstock ist ja wirklich nur ein Stück Holz.» Deshalb setzt er auf die englische Traditionsmarke King David, bei der das einzig Königliche der Name ist. Für ein paar Franken ist so ein Baton zu haben, Paavo Järvi hat eine ganze Tasche voll auf Lager. Wenn einer kaputtgeht, kommt der nächste dran. Denn die Stäbe sind Verschleissware, selbst wenn man kein Berserker ist wie Arturo Toscanini, dessen Wutanfälle viel geknicktes Holz verursachten. Und auch wenn man nicht so weit geht wie einst Bernard Haitink, der seine Dirigierstäbe jeweils als Barbeque-Spiesschen weiter verschenkt haben soll.
Ein Korkgriff muss sein
Das bedeutet nun allerdings nicht, dass es Paavo Järvi egal ist, was er in der Hand hat. Die Fiberglas- oder Kohlefaser-Stäbe überlässt er anderen, Holz ist ihm lieber. Ein Taktstock muss bequem sein, sonst taugt er nichts. Aber was heisst bequem? Ein Korkgriff zum Beispiel muss sein, «dann weiss ich, dass der Stab nicht davonfliegt». Das Gewicht muss stimmen, und auch die Farbe ist wichtig; für das Orchester sind weisse Stäbe besser sichtbar. Und schliesslich ist die richtige Länge ein Kriterium, «ich schneide immer die Spitze ab, damit es passt».
Nur mit den Händen zu dirigieren, käme für ihn nicht in Frage. Der Taktstock ermöglicht präzise, differenzierte und entsprechend unmissverständliche Zeichen. Dazu kommen sportliche Gründe: «Mit dem Stab kann ich mir etwas kleinere Bewegungen erlauben als ohne – und in einer Bruckner-Sinfonie macht das durchaus einen Unterschied, was die physische Belastung angeht.» Der Baton ist für ihn eine Verlängerung der Hand, «kein separates Instrument» und erst recht kein autoritäres Zuchtmittel. «Es geht nur darum, möglichst klar zu kommunizieren mit dem Orchester.»
Bestellen auf eBay
Seine Sicht der Dinge hat übrigens Schule gemacht, wie seine Assistant Conductor Izabelė Jankauskaitė erzählt. In ihrer Dirigierklasse an der Zürcher Hochschule der Künste seien Paavos Batons einst ein Thema gewesen, und ihre Vorgängerin Holly Choe habe dann gleich für alle bestellt – «auf eBay».
Auch wenn Zürich eine gute Destination ist für Luxusgüter: Für die Hersteller von exklusiven Dirigierstäben ist die Stadt ein hartes Pflaster.