Was heisst hier original?
Beethoven hat immer wieder eigene Werke bearbeitet. Zum Glück, findet Olli Mustonen.
Beethoven war kein Freund von Bearbeitungen, erst recht nicht, wenn andere sich an seinen Werken vergriffen. In einem Brief wetterte er einst gegen «die unnatürliche Wuth, die man hat, sogar Klaviersachen auf Geigeninstrumente überpflanzen zu wollen, Instrumente, die so einander in allem entgegengesetzt sind […] ». Nur ein Mozart könne das, schrieb er weiter, oder ein Haydn. Und ja, «ohne mich an beide grossen Männer anschliessen zu wollen», er selbst natürlich auch.
Tatsächlich hat Beethoven einige eigene Werke in andere Besetzungen «überpflanzt»: Die Klaviersonate op. 14/1 existiert auch als Streichquartett, das Septett op. 20 hat er in ein Trio verwandelt – und der finnische Pianist Olli Mustonen hätte ohne die Übertragung des Violinkonzerts fürs Klavier ein Lieblingswerk weniger im Repertoire. «Für jene, die die Violinversion kennen, mag es sein, als würden sie einen Berg von einer anderen Seite her sehen», sagt er dazu. «Die Aussicht und das Licht sind anders, es ist aber derselbe Berg, dasselbe atemberaubend originelle, hypnotische Meisterwerk».
«Gefühl der Ermattung»
Eine fast schon alpine Weitsicht war einst auch der Grund für diese Bearbeitung. Der Londoner Komponist und Herausgeber Muzio Clementi hatte sie angeregt – obwohl das Violinkonzert zunächst durchaus kritisch aufgenommen worden war. Beethoven hatte die Partitur erst so spät geliefert, dass die Wiener Uraufführung 1806 ohne Proben stattfinden musste. Das Publikum reagierte freundlich, aber die Rezension in der «Wiener Theater-Zeitung» war vernichtend, der Kritiker bemängelte «eine Menge unzusammenhängender und überhäufter Ideen»; man werde durch den «fortwährenden Tumult einiger Instrumente […] zu Boden gedrückt» und verlasse das Konzert «mit einem unangenehmen Gefühl der Ermattung».
Clementi war da anderer Ansicht, Beethoven nahm seinen Vorschlag an, erstellte eine Klavierversion des Violinkonzerts und schrieb bei der Gelegenheit gleich noch eine neue Kadenz, in der zum ersten Mal in der Musikgeschichte neben dem Soloinstrument auch die Pauke zum Zug kommt. Das Resultat hat viel positives Echo erhalten – bis hin zur Feststellung, dass erst diese Fassung den Charakter eines Werks zur Geltung bringe, das zunächst eigentlich ein Konzert «gegen die Geige» gewesen sei. Im Konzertleben hat sie sich dennoch nie ganz durchgesetzt, Olli Mustonen ist einer der wenigen Pianisten, die sie regelmässig aufs Programm setzen: als nicht nur als originelles, sondern auf seine Weise auch originales Meisterwerk.