«Es ist ein gegenseitiges Beschnuppern»
Der 27-jährige Österreicher Patrick Hahn gibt sein Debüt beim Tonhalle-Orchester Zürich – als Einspringer.
Wie war Ihr erster Tag mit dem Tonhalle-Orchester Zürich?
Der erste Eindruck war fantastisch. Es ist ein tolles Orchester. Alle sind herzlich, freundlich und sympathisch. Und in dem neu renovierten Saal klingt es unglaublich. Wenn man sich neu kennenlernt, ist es immer etwas Besonderes. Es ist ein gegenseitiges Beschnuppern.
Wie beschnuppert man sich?
Das geht relativ schnell. Man hat das eine und andere voneinander gehört – und dann schaut man, ob es der Realität entspricht.
Sie sind eingesprungen, weil David Zinman das Konzert nicht dirigieren kann. Können Sie uns kurz schildern, wie das abgelaufen ist?
Wir sind schon länger in Kontakt, um einen Termin zu finden. Das hat bis anhin leider noch nicht geklappt, und umso mehr hat es mich gefreut, als diese Anfrage kam.
Und dann folgte ein panisches Partituren-Studium?
Panisch darf man nicht sein, wenn man einspringt. Man sollte ein Konzert nur übernehmen, wenn man weiss, dass man das Repertoire beherrscht. Ich habe Bruckners Sinfonie Nr. 4 bereits dirigiert. Und dann muss man sich einfach gegenseitig vertrauen. Ich weiss natürlich, wie toll das Orchester ist und wie gut sie das Stück bereits kennen. In dieser Situation kann ich als Dirigent auch loslassen und schauen, was das Orchester anbietet und wo ich eingreifen will.
Haben Sie eine spezielle Verbindung zu Bruckner?
Die Verbindung ist national geschuldet. Als Österreicher kann ich diesem Bruckner-Charakter, so wie ich ihn mir vorstelle, einiges abgewinnen: Dieser vielleicht doch eigenwillige, kauzige Typ und diese grossen breiten Klangmassen, die sich bewegen, aber nie stillstehen. Bruckner liegt mir ziemlich am Herzen und die vierte Sinfonie ganz besonders – ein grossartiges Stück!
Sie sind noch sehr jung, aber schon auf den grossen Podien angekommen. Kommt es vor, dass man Ihnen skeptisch begegnet?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Musiker*innen, die mit sich selbst im Reinen und überzeugt von ihrer Arbeit sind, nie ein Problem damit haben, ob jemand alt oder jung ist. Es kann vorkommen, dass man nicht zusammenfindet, aber das muss kunstbasiert sein. Ich habe den Eindruck, dass abseits der anfänglichen Neugierde das Alter kein Thema mehr ist. Natürlich hat Dirigieren viel mit Lebenserfahrung zu tun, und die kann ich mit 27 Jahren noch nicht haben. Dafür bin ich an einem anderen Punkt in meinem Leben, und das macht das Ganze interessant. Die klassische Musik ist keine museale Kunst, sondern wird immer wieder neu zum Leben erweckt – da ist die Sicht eines jungen Dirigenten genauso spannend wie jene eines älteren Kollegen.