
«Ich träume davon, Klavier zu singen»
Der Pianist Jean-Yves Thibaudet spielt im Saal und auf dem Münsterhof. Eine Annäherung in acht Zitaten.
Seit zwanzig Jahren tritt der französische Pianist Jean-Yves Thibaudet immer wieder mit dem Tonhalle-Orchester Zürich auf, 2016 war man gemeinsam auf Tournee – nun folgt ein neues Abenteuer: Nach seinem Konzert in der Grossen Tonhalle wird er sich auch beim tonhalleAIR auf dem Münsterhof hinter den Flügel setzen und unter der Leitung von Paavo Järvi das Klavierkonzert von Aram Chatschaturjan spielen.
Der Ausflug in die Stadt passt zu ihm, Thibaudet mag den Austausch mit dem Publikum. Auch gegenüber den Medien äussert er sich offen, unprätentiös und durchaus nicht nur über Musik, wie die folgende Sammlung von Zitaten aus verschiedenen Interviews zeigt.
Jean-Yves Thibaudet über …
… Aram Chatschaturjans Klavierkonzert
«Ich wundere mich, dass es so selten gespielt wird. Es ist sehr kraftvoll, ein Glücksfall in seiner Inspiration: Immer wenn ich es bislang gespielt habe, war das Publikum fasziniert, weil es so intensiv ist. Vor allen Dingen im zweiten Satz ist Zentralasien so richtig zu spüren mit all seinen Gerüchen, seinen Pflanzen und Farben. Natürlich gab es Ende der 30er -Jahre modernere Musik als diese; doch gleichzeitig wirkt das Werk sehr instinktiv und natürlich, gleichsam unmittelbar aus dem Herzen. Es ist Musik, die Spass bereitet und Menschen einfach glücklich macht.» (Concerti, 2015)
… das Singen
«Ich träume davon, Klavier zu singen. Die Stimme, das ist die eigentliche Musik, alles andere ist eine Imitation davon. Wer nie mit Sängern gearbeitet hat ist deshalb nur ein halber Musiker.» (Tages-Anzeiger, 2016)
… Arthur Rubinstein
«Ich lernte ihn kennen, als ich fünf war, und traf ihn noch einmal, als ich sieben war. Beim letzten Mal sass ich etwa 15 Minuten lang auf seinem Schoss. Er war der netteste, herzlichste Mann, so liebenswert und grosszügig. Er fragte: ‹Was willst du wirklich machen?›, und ich sagte: ‹Ich möchte Pianist werden und in der ganzen Welt Konzerte geben, so wie du.› Und er sagte: ‹Denk daran, das Wichtigste sind die Zuhörer. Ohne sie gibt es uns nicht. Sie kaufen die Eintrittskarten, sie kaufen die Aufnahmen, du musst dir Zeit für dein Publikum nehmen.› Diese Dinge klingen noch heute in mir nach, und jedes Mal, wenn ich spiele, treffe ich mich gerne mit allen, die da sind, denn sie alle sind wichtig für mich.» (The Gilmore, 2023)
… Autos
«Meine liebsten Autos sind von Ferrari. Schon als 3-Jähriger wusste ich, was ein Ferrari ist, und habe gesagt, dass ich später einmal ein solches Auto fahren werde. Es ist für mich immer ein wunderbares Erlebnis, mit einem Ferrari unterwegs zu sein. Ich kaufe meine Ferraris übrigens immer in Basel ein.» (Classicpoint.net, 2015)
… Zweifel
«Bin ich gut genug? Diese Frage stellt man sich immer. Je mehr man in seinem Leben und seiner Karriere vorankommt, desto mehr erwarten die Leute. Der Druck wird grösser, und einerseits muss man sich eine Art Rüstung zulegen, damit man nicht zerbricht. Aber andererseits ist es gerade die Zerbrechlichkeit, die einen Künstler einzigartig macht. Wenn man denkst ‹Oh, ich bin der Beste! ›, dann wird es ein langweiliges Konzert.» (Podcast Living the Classical Life, 2016)
… andere Künste
«Ich lese gern, ich gehe gern ins Kino. Und wenn ich irgendwohin fahre, besuche ich ein Museum, wenn ich eine Stunde Zeit dafür habe. Am liebsten in eines, das ich noch nicht kenne. Wenn ich es schon kenne, gehe ich direkt zu meinen liebsten Werken. Das ist dann wie ein Besuch bei Freunden.» (WRTI, 2018)
… Mode
«Als Teenager habe ich viele Designer kennengelernt, bin zu vielen Shows gegangen – und die Mode wurde ein Teil meines Lebens. Ich denke, dass Mode auch deshalb wichtig ist, weil klassische Musik als starr und altmodisch angesehen wird. Warum müssen Männer Fräcke tragen, während die Frauen in jeder Pause das Kleid wechseln können? Warum sollte ich wie ein dummer Pinguin aussehen? Starre Kleidung vermittelt einfach den falschen Eindruck von klassischer Musik, verstaubt, alt und langweilig. Die Leute können sich mehr mit dir identifizieren, wenn du Kleidung trägst, mit der sie sich identifizieren können.» (The Rapidian, 2018)
… das Üben
«Ich übe mehr und mehr. Ich liebe es zu üben, weil ich dabei neue Dinge entdecke und mir sage: ‹Wie konnte ich das all die Jahre nicht sehen? Ich habe das 30 Jahre lang falsch gespielt und niemand hat es mir gesagt.› Man muss ständig etwas Neues lernen – so bleibt alles frisch.» (Classical Voice, 2019)