Literatur und Musik: Sunnyi Melles liest Jaeggy
Literatur und Musik: Sunnyi Melles liest Jaeggy
Irina Pak Violine
Amelia Maszonska-Escobar Violine
Barbara Villiger Heilig Einführung
Fleur Jaeggy Auszüge aus dem Roman «Die seligen Jahre der Züchtigung»
Endlich erhält Fleur Jaeggy mit dem Gottfried-Keller-Preis 2024 eine Würdigung im eigenen Land. In Zürich geboren und in verschiedenen «Instituten» aufgewachsen, lebt die Autorin heute in Mailand – ihr zeitloses Werk spricht gerade eine Generation jüngerer Autorinnen an. Das Motiv des Pianos durchzieht ihr Werk und schlägt die Brücke zur Musik ihrer Sprache, wie Barbara Villiger Heilig, die wohl versierteste Kennerin von Fleur Jaeggys Werk, in der Einleitung darlegen wird. In einer vielschichtigen Auseinandersetzung mit ihrer helvetischen Herkunft und Schweizer Autoren wie Robert Walser schildert Fleur Jaeggy die schillernden Erfahrungen in einem Appenzeller Mädchen-Internat im Roman «Die seligen Jahre der Züchtigung» (1989), der bereits zu einem modernen Klassiker avanciert ist: «Die Lektüre dauert vier Stunden», bemerkte der amerikanische Dichter Joseph Brodsky, «die Erinnerung daran das ganze Leben». Eindringlich umkreist Fleur Jaeggy die erotisch aufgeladenen Beziehungen der jungen Frauen zwischen Aggression und Zärtlichkeit. Im Institut werden Mädchen diszipliniert, «bis die Disziplin selbst eine Lust wird». In ihrem Werk gelingt es der Autorin, die existenzielle Zerrissenheit, die Ambivalenz der Liebe und die Ekstasen des Wahns in die kristalline Klarheit einer Sprache zu fassen, deren tiefe Klangfülle dem mystischen Schweigen entsteigt und mit einem untrüglichen Gefühl für Rhythmus verschmilzt. Das wird die Stimme von Sunnyi Melles unvergesslich vorführen.